Erinnern an Tschernobyl und Fukushima

Gegen das Vergessen! Zu den Jahrestagen werden viele Menschen nochmal an die beiden Katastrophen und ihre ganz persönlichen Erinnerungen zurückdenken. Schreibt über Eure Erlebnisse, Gedanken oder Reaktionen an die Tage nach Tschernobyl und Fukushima, gerne auch mit Foto aus der Zeit.
Wir wollen sie auf der Homepage teilen. Mail an: erinnerungen@fruehstuecksmeile.de

Sonja erinnert sich…

Auch wenn die Frühstücksmeile schon wieder Vergangenheit ist, hier noch eine weitere Erinnerung


Kurz nach dem Atomunfall in Tschernobyl war für meine Abschlussklasse 10 zusammen mit einer weiteren Klasse eine Reise nach Regensburg geplant. Als wir in Braunschweig losfuhren, war das Unglück schon geschehen, aber niemand ahnte schon die Auswirkungen, die dies auf uns alle haben würde.

 
In Regensburg hielten mein begleitender Kollege und ich uns durch Zeitunglesen auf dem neuesten Nachrichtenstand. Weil vor dem Fallout gewarnt wurde, ließen wir beim Tagesausflug nach München die Jugendlichen kaum aus dem Bus, nur an der Walhalla und ins Deutsche Museum ließenwir sie aussteigen. Ein Biergartenbesuch in Regensburg wurde kurzerhand nach drinnen verlegt, was nicht ohne Murren abging. Am zweiten Abend ließen wir unsere Klasse in der Obhut der beiden anderen Kollegen und besuchten eine kurzfristig angebotene Informationsveranstaltung von Wissenschaftlern, um uns über das richtige Verhalten aufklären zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt lag der Schwerpunkt des Niedergangs der radioaktiven Wolken ausgerechnet dort in Süddeutschland, wo wir uns aufhielten. Mit den neugewonnenen Erkenntnissen wie: keine frischen Salate oder anderes Gemüse mehr zu essen, die draußen getragenen Schuhe vor der Tür zu lassen und im Haus gegen andere auszutauschen und Jodtabletten zu besorgen, baten wir den Herbergsvater darum, den Küchenplan umzustellen und Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Aber der lachte uns nur verständnislos aus und sagte, er sehe keine Gefahr.

 
Nach zu Hause zurückgekehrt, ging ich noch gleich in der Nähe der Schule zum Einkaufen. Ich packte zwei Einkaufswagen voll mit allem, was ich an Essbarem fand, das lange aufzubewahren war: Dosengerichte, Dosenmilch, Hülsenfrüchte, Reis, Nudeln, Müsli, Getränke … Es hat noch fast zwei Jahre gedauert, bis ich alles verbraucht hatte, was ich da so „gehamstert“ hatte.

 
Noch etwa ein Jahr verfolgte ich die täglichen Becquerel-Höhe-Angaben für Lebensmittel in der Zeitung, um besonders belastete Lebensmittel zu vermeiden. Am meisten tat es mir leid, dass Nüsse hoch belastet waren und ich auf mein Lieblings-Nussjoghurt ganz lange verzichten musste.

Uwe Steinkamp erinnert sich …


bild2Als wir am 26. April 1986 voller Euphorie unseren Laden Steinkamp Räder nach Maß eröffneten, ahnten wir nicht, dass sich zeitgleich die verheerende Reaktorkatastrophe in Tschernobyl ereignete. 25 Jahre später zeigte der Super- Gau in Fukushima erneut die Unbeherrschbarkeit der Atomkraft. Unmittelbar in unserer Gegend sind wir mit den Atommülllagerungen konfrontiert. Ein Grund mehr, ein Zeichen gegen Atomkraft und für den Ausstieg zu setzen. Wir unterstützen daher alle Aktionen in  dieser Richtung und fordern zu Protest und Engagement auf.

Michael erinnert sich…

Der etwas andere Rückblick von Michael (Achtung: Ironie !)


1986

Als der Reaktor in Tschernobyl im April 1986 explodiert bin ich gerade 16 Jahre alt, mitten in der Pubertät und bereits verliebt in meine jetzige Frau und habe riesiges Glück!

 

April 1986: Ich wohne in der DDR; der Wind weht so günstig, dass die radioaktive Wolke, von der in der tagesschau (die meine Eltern verbotenerweise in unserem Wohnzimmer gucken) berichtet wird und wegen der gesamt Westdeutschland sich in seinen Wohnungen verschanzt, auf dem Weg von unserem „großen Bruder“ Sowjetunion in die Bundesrepublik, um meine sozialistische Heimat einen Bogen schlägt.

 

Ich zweifle am Wissen meines Geographielehrers, drehe den Globus in alle Richtungen, suche den alten Atlas von meinem Opa (der kannte wen, der da schon mal in der Nähe war) … naja … der Wind, der Wind, das himmlische Kind, hat meine Mutter immer mal gesungen, …

 

Also ! Glück gehabt keine Gefahr ! Alles gut und es wird noch besser, in den Gemüseläden, die es bisher; warum auch immer gab, denn die hatten in der Regel immer nur jede Menge Kartoffeln und Weißkohl im Angebot, führten plötzlich tatsächlich Gemüse: Gurken, Tomaten, etc. später im Herbst sogar Pilze. Verwirrenderweise greift keiner bei diesem tollen Angebot zu und kauft kaum diese Sachen, entweder kennen sie das nicht (mehr) oder es guckten doch mehr die verbotene tagesschau , … Westfernsehgucker hätte man also im Gemüseladen enttarnen können – Schade Stasi, „Chance verpasst“ 🙂
Bei Bananen bildeten sich dann aber immer noch die bekannten Schlangen, der Wind macht also auch um „Bananenländer“ einen Bogen – die Bundesrepublik, wäre also bei einem erneuten Atomunfall heute sicher ? Weiterlesen  

Jörn erinnert sich…

Wir haben uns sehr gefreut, Jörn hat sich per mail aus Ostholstein gemeldet


Erinnerung-Joern-BrunkenAm 26. April 1986 explodierte der Block 4 des Reaktors von Tschernobyl.

Radioaktive Stoffe gelangten  in großen Mengen über 1500 m hoch in die Atmosphäre und verteilten sich in wenigen Tagen um den ganzen Erdball.

 

Ich selbst fuhr am 1. Mai 1986 mit dem einjährigen Sohn und meiner schwangeren Frau mit dem Auto heim von Elmshorn nach Hannover. Es begann auf der Fahrt nach längerer Trockenheit zu regnen, und wir wussten, dass dieser Regen Radioaktivität aus Tschernobyl enthielt. Diese unheimliche Fahrt durch den Regen habe ich bis heute nicht vergessen. Daheim hamsterten wir Sojamilch und Milchpulver für den Jüngsten, verließen wochenlang kaum das Haus, ließen zumindest das Kind draußen nicht alleine laufen, nicht krabbeln, nicht im Sand spielen. Wir verfolgten die Nachrichten und mussten erleben, wie die Behörden zur Beruhigung falsche Daten verbreiteten statt uns bestmöglich zu schützen.

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Ulrike erinnert sich…

Ulrike wohnt in der Samtgemeinde Sickte und ist aktiv bei der BürgerAktionSichereASSE


1986

1986

Ende April1986, sommerliche Temperaturen, wir planen den Maifeiertag mit unserem fast einjährigen Sohn im Garten bei der Oma zu verbringen. Eine Radionachricht macht uns aufmerksam: In Teilen Schwedens, Finnlands und Norwegens ist eine ungewöhnlich hohe radioaktive Strahlung gemessen worden. Die Behörden weisen darauf hin, dass Menschen nicht gefährdet seien. Als Ursache wird ein Defekt an einem sowjetischen Atomreaktor vermutet.

 

Am 28.4. meldet die sowjetische Nachrichtenagentur Tass eine „Havarie“ in einem Atomkraftwerk. Während in Moskau die Maifeiertage wie immer mit der üblichen Militärparade auf dem Roten Platz geplant und durchgeführt werden, macht sich bei uns mehr und mehr Unruhe breit. Bröckchenweise dringen Informationen über Radio und Fernsehen durch, plötzlich ist klar, dass die Havarie tatsächlich ein GAU ist.

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Peter erinnert sich…

Seit der Gründung der BISS e.V. aktiv rund um die Atommüllfabrik Eckert&Ziegler in Braunschweig


Peter_1986

1986

„Meine Erinnerungen: frisch angekommen in Braunschweig, rein ins Studium, Sport treiben und Leute kennenlernen. Da habe ich meinem Sport Volleyball gefrönt und natürlich auch schon damals Beachvolleyball und Rasenvolleyball gespielt. Und dann das … Tschernobyl – Radioaktive Wolke – Aufnahme durch die Luft in die Lunge – Keine Pilze – kein Wildschwein …

 

Ich bin Sportler und Genießer-Esser. Der Schock war groß und ich habe mich dabei ertappt, wie ich nach Ausweichmöglichkeiten gesucht habe. Erst viel später war mir klar, „Die Mächtigen nutzen Atomkraft als Machtmittel, die Bürger sind Opfer, keiner braucht den Atom-Müll„. Wann kann ich gefahrlos wieder unter freien Himmel? Wann kann ich nach Fukushima wieder Fisch essen? WAS MUSS ICH TUN, damit der Irrsinn aufhört?“

Silkes privater Super-GAU

Anti-Atom-Aktivistin im Weltatomerbe Braunschweiger Land


Silke1986b

1986

Im April 1986 war ich gerade 19 Jahre alt geworden und in meiner Freizeit in der DLRG aktiv. Am Montag, dem 28. April saßen wir nach dem Schwimmunterricht noch in der Milchbar des Thieder Hallenbades zusammen und die Tagesschau lief im Hintergrund. Karl-Heinz Köpcke verkündete die wenigen Informationen, die es an diesem Abend erstmalig im westdeutschen Fernsehen gab. Irgendwie spürten wir alle, dass dies eine ganz besondere Nachricht war und ich wollte schnell nach Hause, weitere Nachrichten gucken und mit meinen Eltern diskutieren.

 

Ich setzte mich auf mein Fahrrad und fuhr los, es begann gerade zu regnen und ich fragte mich, ob die Radioaktivität vielleicht schon da ist? Schließlich war das Unglück vor zweieinhalb Tagen passiert und – obwohl die Welt damals irgendwie größer war als heute – Kiew ja nun auch nicht so weit weg von Deutschland. Die Nachrichten der folgenden Tage und insbesondere die Geigerzähler-Messungen, die unser Physiklehrer mit uns auf dem eigenen Schulhof machte, haben mich bis heute geprägt. Diese frühe Lehrstunde in meinem Leben hat mir gezeigt, dass es Dinge gibt, gegen die die Menschheit einfach kämpfen muss, wenn sie unversehrt leben will und daraus ziehe ich bis heute meine Motivation, mich in der Anti-AKW-Bewegung zu engagieren.