Fünf Jahre nach der Reaktorkatastrophe treten die gesundheitlichen Folgen immer deutlicher zu Tage. Japanische Kinderärzte registrierten bisher 167 Fälle von Schilddrüsenkrebs bei Kindern aus der Präfektur Fukushima, die zum Zeitpunkt der Katastrophe unter 18 Jahre alt waren. Damit verschiebe sich das als normal geltende Verhältnis einer Erkrankung auf 1.000.000 Einwohner nach nur wenigen Jahren auf 1:1.800, die Zahl schwerwiegender Erkrankungen übertreffe die in Belarus nach der Tschernobyl-Katastrophe bei weitem.
Dies ist auf die schlechteren Kriterien zur Ausweisung von Sperr- und Evakuierungszonen in Japan zurückzuführen. Gebiete, die auf Grund bestimmter Grenzwerte nach Tschernobyl-Kriterien für unbewohnbar erklärt werden müssten, sind dies in Japan nicht.
Zum 1. April 2016 wurden sogar einige evakuierte Gebiete zur Wiederbesiedelung frei gegeben, denn es gibt in Japan immer noch 100.000 Strahlenflüchtlinge. Gebiete gelten als „saniert“, wenn die Erdoberfläche abgetragen und in Plastiksäcken gelagert wurde. Geplant ist, die gesamte Präfektur Fukushima – ein Gebiet von der Größe Schleswig-Hosteins – oberflächlich abzutragen. Die strahlenden Plastiksäcke liegen dann unabgeschirmt in der Landschaft, da es kein sicheres Lagerkonzept gibt.
Seit dem 14. April wird die südlichste der japanischen Hauptinseln (Kyushu) von einer Serie schwerer Erdbeben erschüttert. Auch der Vulkan Aso wurde durch die Beben aktiviert. http://www.oe-files.de/gmaps/eqmashup.html
Auf Kyushu stehen die zwei einzigen derzeit in Japan wieder laufenden Reaktoren, Sendai I und II liegen in der Provinz Kagoshima 70 km vom Epizentrum der aktuellen Beben entfernt.
Der Vulkanologe Toshitsugu Fujii von der Universität Tokio warnte bereits im Oktober 2014 vor der geplanten Inbetriebnahme. Sendai liege nur 40 Kilometer von mehreren aktiven Vulkanen entfernt. Bei einem Vulkanausbruch drohe ein neues atomares Desaster.
Die Mehrheit der japanischen Bevölkerung befürwortet bis heute den Atomausstieg, doch die japanische Regierung erlaubte im August des vergangenen Jahres die Wiederinbetriebnahme der damals sofort abgeschalteten Meiler. Erst Anfang diesen Monats hatte ein Gericht eine von Anwohnern angestrengte Berufungsklage zurückgewiesen, die sich nicht mit der Wiederinbetriebnahme des AKE Sendai abfinden wollten.
Die Kläger planen jetzt in die nächste Instanz zu gehen.
Wenn wir bei unseren Demonstrationen ganz bewusst nicht von einer Atomkatastrophe VOR fünf Jahren sprechen, sondern von einem Super-GAU SEIT fünf Jahren, hat das seine guten Gründe:
Nicht zu Beginn, sondern sukzessive wird deutlich, was Fukushima für die Menschheitsgeschichte bedeutet. Die Bilder von berstenden und überfluteten Reaktoren waren erschreckend, doch die eigentliche Katastrophe ist unsichtbar. Fest steht, dass selbst der Betreiber TEPCO keine sicheren Informationen über den Zustand der Reaktoren von Fukushima hat, denn die radioaktive Strahlung in ihnen ist extrem stark, Menschen können nicht näher kommen und es gibt keine technischen Möglichkeiten, die innere Lage zu prüfen. Auch die Versuche, ferngesteuerte Roboter hinein zu schicken, sind bis jetzt immer wieder nur gescheitert.
Mit den „Aufräumarbeiten“ sind täglich zwischen 5000 und 7000 ArbeiterInnen mit extrem gesundheitsgefährdenden Aufgaben beschäftigt. Diese sind nicht Angestellte der TEPCO oder des japanischen Staates, sondern von beauftragten Subunternehmen, die ihr Personal auf dubiosen Wegen akquirieren und die prekäre Situation von Obdachlosen oder „illegalen“ Eingewanderten ausnutzen, die häufig über die Gesundheitsgefährdung nicht aufgeklärt sind. Sie werden entlassen bevor strahlenbedingte Erkrankungen auftreten könnten.